Arbeitsmarkt Schweiz: Weiterbildung !

Die Arbeitslosigkeit unqualifizierter Arbeitskräfte hat in der Schweiz zwischen 1991 und 2014 massiv zugenommen, nämlich von 1.2% auf 8.8%. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Basel (https://sjes.springeropen.com/track/pdf/10.1186/s41937-017-0006-7), die auch im Tages-Anzeiger vom 21. Juni 2019 besprochen wurde.

Die Autoren konnten die Hypothese, dass die Gobalisierung verantwortlich für dieses Phänomen ist, mit den Import-Export-Zahlen der Schweiz nicht untermauern. Andererseits ist es für den aufmerksamen Beobachter der Arbeitsmarktentwicklung eigentlich nicht erstaunlich, was in dieser Studie dargelegt wird. Angesichts technologischer Entwicklungen wie Digitalisierung und künstlicher Intelligenz passen die Fakten durchaus ins Bild der allgemein bekannten Tendenzen:

·     Gefragt sind heute und in Zukunft in allen Branchen und speziell in einem Hochlohnland wie der Schweiz hochausgebildete Spezialisten,

·     einfachere Service-Leistungen dürften ebenfalls immer gefragt bleiben, aber

·     mittlere Qualifikationen sind extrem gefährdet bezüglich Automatisierung und Routinen, welche auf künstlicher Intelligenz basieren. 

Das Mantra der 1980er- und 1990er-Jahre lautete: Die Arbeit geht uns aus! Heute wissen wir, dass das so nicht passiert, aber in veränderter und nicht minder dramatischer Form holen uns diese – damals wie heute richtigen – Überlegungen wieder ein: 

 

Es gibt eine grosse Zahl von Menschen welche extrem gefährdet sind gegenüber technologischen Entwicklungen!

 

Die Risikofaktoren heissen: Räumlich nicht mobil, im mittleren Alter, verfügen nur über eine Basis-Ausbildung (z.B. Berufslehre), aber nicht mehr. Bei den ersten beiden Risiken ist wenig bis keine Anpassung möglich, beim dritten Faktor schon. Die westlichen Industrieländer haben einen dringenden Handlungsbedarf, Konzepte für permanente Weiterbildung zu entwickeln und umzusetzen. Auch die Schweiz!

 

Man soll das schweizerische Bildungssystem nicht schlecht reden. Was hierzulande auf allen Stufen und auch innerbetrieblich in den Unternehmen geleistet wird, kann sich weltweit sehen lassen. Trotzdem gibt es Handlungsbedarf, vor allem bei der Gestaltung der Weiterbildung:

 

·     Mindset ändern

Ohne persönliche Initiative und die Bemühung, sich weiterzubilden ist kein Lernerfolg möglich! Es muss allen Betroffenen klar sein und immer wieder kommuniziert werden, dass Eigenaktivität gefordert ist. Betroffene aber auch Staat, Unternehmen, Verbände, Sozialhilfe, RAV, Arbeitslosenversicherung – alle sollten sich dem Mantra «Arbeit dank Bildung» verpflichten. Die letztes Jahr von der SKOS und dem SVEB lancierte Weiterbildungsinitiative zielt genau in die richtige Richtung! https://alice.ch/fileadmin/Domain1/Dokumten/Arbeit_dank_Bidung_Positionspapier.pdf

 

·     Anreize richtig setzen

In der Schweiz und in vielen Ländern ist die Weiterbildung zum grossen Teil privat organisiert, d.h. von den Teilnehmenden finanziell zu tragen. Das ist nicht unproblematisch – siehe unten. Aber es sollte mindestens möglich sein, dass Kosten für die Weiterbildung konsequent steuerlich absetzbar sind, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Damit könnten Unternehmen auch ihren Mitarbeitenden Kosten für die individuelle Weiterbildung als Lohnbestandteile erstatten.

 

·     Weiterbildung als Bestandteil des öffentlichen Bildungssystems

Das schweizerische Bildungssystem postuliert die Grundbildung bis zu einem Hochschulabschluss als staatliche Aufgabe und bietet diese Leistung für die Studierenden zu minimalen Kosten an. Alle weiterführenden (Weiter-)Bildungsstudien jedoch sind privat zu finanzieren. Diese Dichotomie passt nicht mehr in die Dynamik einer modernen Wissens- und Technologiegesellschaft und ist dringend zu überdenken! Die Idee des «longlife learning» muss auch seine Entsprechung in einem «longlife financing» haben. Dabei muss die Finanzierung des Gesamtpaketes Grund- plus Weiterbildung keineswegs ausschliesslich durch den Staat getragen werden, sondern es könnte eine Aufteilung der Kosten zwischen Staat und Individuum gesucht werden. Faktisch würden die Studiengebühren für die Grundbildung steigen, und jene für die Weiterbildung sinken.

 

·     4. Säule für die Weiterbildung

Visionär und mutig wäre aber erst ein Finanzierungsmodell, wie es Adecco Chef Alain Dehaze vorgeschlagen hat: https://www.wernerinderbitzin.ch/blog/2019/4/12/alain-dehaze-wir-brauchen-eine-4-sule-fr-die-bildung

Die Äufnung eines Weiterbildungs-Fonds, der durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber gespeist wird, zweckgebunden für Weiterbildungs- und Requalifizierungsmassahmen eingesetzt werden kann und bei Stellenwechsel zu Gunsten des Arbeitnehmers auf den neuen Arbeitgeber übertragen wird.