Die Anderen und ich - Wie gewinne ich Anerkennung und Respekt

Vielleicht sind Sie gerade jetzt dabei, nach einigen Tagen Abwesenheit an den Arbeitsplatz zurückzukehren, oder Sie bereiten sich nach längerer Zeit wieder auf einen Video-Call im Home-Office vor. Sie fühlen sich nicht extrem unwohl – aber auch nicht in einer superguten Laune: Der letzte Konflikt ist immer noch nicht bereinigt. Ob Kollege Meier seine Pendenzen endlich erledigt hat, ist unsicher. Und überhaupt – das Team funktioniert nicht richtig, oft haben Sie den Eindruck, alle arbeiten gegen Sie, und beim Chef finden Sie kein Gehör und können sich nicht durchsetzen. Mit gemischten Gefühlen sehen Sie dem Tag entgegen, Unlust verbreitet sich, ja vielleicht sogar Angst schleicht sich ein – es ist nicht mehr so einfach, schnell die Arbeitsstelle zu wechseln, und Sie möchten ja nicht mehr als Anerkennung und Respekt für gute Arbeit

Hier sind drei Tipps für einen neuen Zugang zu sich und den Anderen.

 

Angst in die Schranken weisen

Niemand ist völlig frei von Ängsten! Wer etwas anderes behauptet, sagt nicht die ganze Wahrheit oder nimmt sich selbst nicht genau wahr. Existenzangst, die Angst vor Fehlern oder sich zu blamieren, nicht zu genügen – solche Gefühle begleiten uns während des ganzen Lebens. Aber man kann lernen, mit solchen Gefühlen umzugehen, so dass sie nicht übermächtig werden, den Schlaf rauben oder die physische und psychische Gesundheit angreifen. 

«Einiges ist in unserer Hand, anderes hingegen nicht!» schreibt der ehemalige römische Sklave und Philosoph Epiktet (50 – 138 n.Chr.).

Wir müssen erkennen, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben. Misserfolge, Unglücksfälle und Fehler sind Teil des Lebens, sie lassen sich nicht immer vermeiden, aber sie beeinträchtigen nicht unseren Wert als Menschen mit unseren Fähigkeiten und Gefühlen. Wir sind nicht identisch mit unseren Fehlern und Missgeschicken – wir sind mehr! 

Statt sich an tatsächlichen und befürchteten Misserfolgen festzuhalten, sollten wir vermehrt Erfolgsbilanzen aufstellen, am besten aufschreiben. Wenn wir daran denken, welche Erfolge wir schon verzeichnen durften, und was schon alles schief gegangen ist, ohne schreckliche Folgen – dann stärkt das unser Selbstwertgefühl und wir können ruhig und gelassen neuen Herausforderungen entgegensehen. 

Angst kann umso besser kontrolliert und in Schranken gewiesen werden, je mehr wir uns unserer Stärken, Erfolge und Fähigkeiten bewusst sind. Ein Tagebuch der Erfolge – jeden Tag mindestens ein erfolgreiches Ereignis aufschreiben! – kann eine heilsame Veränderung unserer Geisteshaltung und Stimmungslage bewirken.

 

Das Umfeld verstehen

Wir leben und arbeiten nicht alleine, sondern mit Vorgesetzten und im Team. «Ich würde schon funktionieren, wenn nur der Chef mich endlich verstehen und nicht immer alles blockieren würde!» Das Umfeld versteht uns nicht – aber: Verstehen wir das Umfeld? 

Es mag unangenehm sein, aber ein Wechsel der Perspektive ist notwendig, um in einem konfliktgeladenen Verhältnis mit anderen Menschen weiterzukommen. Wenn ich immer nur aus meiner Sicht argumentiere, dann ist das eine unvollständige Analyse. Es ist, als ob Sie bei einer Panne am Auto nur den Motor untersuchen, und nicht nachsehen, ob die Reifen eventuell keine Luft haben. 

Eine Gesamtschau der Situation bedeutet, sich in die Situation Ihres Mitarbeiters, Partners oder Chefs zu versetzen. Was müsste ich in seiner Position alles beachten? Wie würde ich mich verhalten? Oft ist es hilfreich, auch etwas über den Tellerrand der Arbeiten in der Firma hinauszuschauen. Was sind das eigentlich für Menschen, mit denen ich zusammenarbeite? Was haben sie für eine Geschichte, wie leben sie und in welchem privaten Umfeld bewegen sie sich? Das hat nichts mit Voyeurismus zu tun, aber viel mit verständnisvollem Interesse. Und wenn dieses Interesse nicht mit plumper Neugier vorgetragen wird, kann das viel beitragen zu einer Entspannung des zwischenmenschlichen Verhältnisses.

 

Eigene Verhaltensweisen überdenken

Verbesserungen einer unbefriedigenden Situation können durch Veränderungen des Umfeldes oder des eigenen Verhaltens geschehen. Intuitiv setzen wir oft bei den Anderen an: «Kollegin X und Mitarbeiter Y sollen endlich ihren Job machen, dann hätte ich nicht immer diesen Ärger!» 

Gut gedacht – aber: Andere Menschen zu ändern ist nicht nur sehr schwierig, sondern endet meistens in weiteren Verstimmungen und Konflikten. Der Schlüssel zu einer Verbesserung der Lage liegt zum grossen Teil bei uns selbst. Zu unserem ICH und zu unseren Verhaltensweisen haben wir unmittelbaren Zugang, hier können wir ansetzen.

Verständnis zeigen für die Situation unserer Kontrahenten ist ein erster Schritt. Gespräche so führen, dass sich das Gegenüber abgeholt und nicht kritisiert fühlt. Und wenn trotzdem Kritik notwendig ist? Schliesslich läuft es tatsächlich oft falsch und Mitarbeitende oder auch der Chef machen Fehler! 

Auch bei harter Kritik ist immer die Person von der Sache zu trennen. «Ich respektiere dich als Kollegen, aber dieses Projekt ist nun wirklich total schiefgelaufen! Suchen wir nach den Gründen – nicht den Schuldigen – und bügeln die Fehler aus!»

Auf Situationen und schwierige Mitmenschen eingehen heisst nicht, sich selber zu verbiegen und Dinge zu tun, die man nicht vereinbaren kann mit seiner persönlichen Haltung. Aber mit Höflichkeit und Anstand sachliche Gespräche führen, ist immer möglich!

 

Die Angst bewältigen, das Umfeld verstehen, seine eigenen Verhaltensweisen überdenken – das kann man selber angehen, hilfreicher aber sind Gespräche und Reflexionen mit aussenstehenden Personen. Selber nachdenken ist gut, es besteht aber die Gefahr, sich immer in den gleichen Denkmustern zu drehen. Zögern Sie deshalb nicht, sich einem vertrauten Kollegen oder einer Kollegin – nicht aus der gleichen Unternehmung! – zu öffnen, oder den Kontakt zu einem Coach zu suchen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr in einer weiterhin sehr anspruchsvollen Zeit!

Bild: Markus Spiske von Pexels