Graue Schwäne und Leadership - Take-aways aus der Corona-Pandemie

Die COVID-19 Pandemie ist kein «Schwarzer Schwan» im Sinne von Nassim Taleb, jedenfalls äusserte sich Taleb in diesem Sinne im März 2020 in der NZZ. Als ein Schwarzer Schwan wird im Allgemeinen ein höchst unwahrscheinliches und nicht vorhersehbares Ereignis bezeichnet. Corona war nicht unvorhersehbar! Aber in den Auswirkungen nachhaltig, kaum prognostizierbar und deshalb sehr wohl überraschend. Zwar kein Schwarzer, aber ein Grauer Schwan?

Niemand beneidet die politischen Entscheidungsträger um ihre schwierige Rolle in dieser schwierigen Zeit – in der konkreten Entscheidungsphase ziemlich einsam und wenn sich der Nebel etwas lichtet, umgeben von zahlreichen Besserwissern und Ratgebern. 

Trotzdem lohnt es sich, zu überlegen, wie Leadership bei unerwarteten und komplexen Ereignissen – die nicht Corona und nicht Pandemie sein müssen – gestaltet werden kann. Wie gehen Organisationen – sowohl profitorientierte Unternehmen als auch non-profit-Institutionen – mit grauen Schwänen um? 

 

Ein grauer Schwan – hier verstanden als ein unerwartetes, weitgehend unbekanntes und komplexes Ereignis, welches schnell und nachhaltig die gesamten Rahmenbedingungen der Organisation nachhaltig verändert. Ein solches Ereignis ist in keiner Checkliste vorgesehen, weil es

·      uns überraschend trifft, 

·      eigendynamisch und schnell nachhaltige Wirkungen entfaltet, 

·      aus zahlreichen Einzelereignissen besteht, die alle miteinander in Beziehung stehen, 

·      über deren gegenseitige Abhängigkeiten wir wenig oder nichts wissen, und mehrere

·      angestrebte Zielvariablen in unterschiedlicher Weise beeinflusst.

 

Handeln in Situationen mit nur partiellen Informationen

Unerwartete und unbekannte Ereignisse, die nicht auf vergleichbare Situationen und Datensätze der Vergangenheit zurückgeführt werden können, erzeugen Unschärfen und Ungewissheiten spezieller Art. Zweifellos gibt es keine einfachen Musterlösungen oder 100%-sichere Rezepte. Aber einiges lässt sich schon sagen:

  • Je weniger wir wissen, desto weniger sind detaillierte Massnahmen top-down sinnvoll.

 

Wenn über ein soziales System nur partielle Informationen vorliegen, ist kein Mikro-Management möglich! Ein Vorgehen mit möglichst vielen Aktionen, deren Folgen wir nicht richtig abschätzen können, erzeugt zu viele unerwünschte Nebeneffekte. 

Statt zahlreiche verschiedenster Medikamente zu verabreichen, ist es besser die Selbstheilungskräfte des Patienten, das heisst der Organisation zu stärken, als da sind: 

Konsens von Leitung und Mitarbeitenden über das gemeinsam angestrebte Ziel, Priorität dezentraler Entscheidungsfindung, Stärkung der Eigenverantwortung.

 

  • Je weniger wir wissen und je stärker und unangenehmer die Auswirkungen sind, desto wichtiger ist der Dialog zwischen Leitung und Mitarbeitenden.

 

Unbekannte und schlimme Ereignisse lösen bei den Menschen Furcht und Panik aus. Irrationale Handlungen, Gerüchte und Feindseligkeiten («Wer ist eigentlich schuld an diesem Schlamassel?») sind die Folge und kosten der Organisation viele Ressourcen, die nun notwendig für die Abwehr der Bedrohung gebraucht würden. Eine ehrliche, transparente und beständige Kommunikation ist deshalb von zentraler Bedeutung. Dass die Leitung dabei mit einer Stimme sprechen soll, versteht sich von selbst. Diese Kommunikation geht von oben nach unten (Warum machen wir dieses und jenes nicht? Was wissen wir, was nicht?) aber auch von unten nach oben (Es passieren Fehler an der Front, man muss etwas tun!) 

 

  • Je weniger wir wissen, desto wichtiger ist Beständigkeit und richtige Dosierung bei von Massnahmen

 

Insbesondere grosse Organisation reagieren im Allgemeinen nur träge auf getroffene Entscheidungen. Wenn der Kapitän «Stopp» befiehlt, laufen sie wie grosse Tanker noch eine stattliche Anzahl Meilen weiter. Das bedeutet, dass die Leitung Geduld haben und Nerven zeigen muss, wenn die erwarteten Resultate nicht (sofort) eintreten – insbesondere muss man der Versuchung widerstehen, dem ersten Massnahmenpaket sofort ein weiteres folgen zu lassen, weil dadurch das System übersteuert wird.